Müssen E-Mails sein?

Ich glaube das nicht und erzähle Ihnen hier warum.

Kennen Sie das "verlorene Interview" aus dem Jahr 1990 mit Steve Jobs?

Falls nicht, dann finden Sie es über eine kurze Suche auf Youtube. Konkret möchte ich aber hier ihr Augenmerk auf den Abschnitt des Interviews lenken, in dem über E-Mails gesprochen wird: Steve Jobs erklärt hier dem Reporter, der im Jahr 1990 noch nie das Internet gesehen hat, wie man mit E-Mails umgeht:

If we want to — if we’re going to be doing a special project let’s say with a company, and we — and let’s say the company is called, what’s your…WGBH. We’re going to be doing a special project with WGBH. And what we’ll do is we’ll create a special mailbox, WGBH and we’ll put twenty people on it that are going to be helping on this project. Now these twenty people will be from all over our company,

And if one sends a message to this mailbox, they’ll all get it like that, instantly.

And it will be like a beehive.

So I’ll put my own name on this mailbox and I’ll see these thirty mail messages fly by

Again the thoughts, disagreements and decisions of a company fly by a manager in a way that they never could before. And we have seen it reduce the number of meetings we have at least by fifty percent.

Fällt Ihnen etwas auf?

Das klingt im ersten Moment gar nicht danach, wie wir E-Mails benutzen. Er spricht hier davon, pro Projekt bzw. Vorgang ein eigenes Postfach anzulegen, in welches sich dann aus allen Teilen des Unternehmens Menschen einwählen können und die Informationen mitlesen oder mitdiskutieren können. Von einem persönlichen Postfach, an das viele von uns im ersten Moment bei dem Schlagwort "E-Mails" denken würden, spricht er hier überhaupt nicht. Das ist eine gänzlich andere Art, mit der digitalen Post umzugehen. Diese Idee kam in den vergangenen Jahren in Form von chatbasierten Applikationen wieder auf, die zurzeit in den Entwickler-Communities eine enorme Popularität erleben. Vertreter davon sind zum Beispiel "Slack", "HipChat" und Microsofts "Teams".

Aber von diesen Tools sind einige Kollegen in vielen Firmen noch weit entfernt und haben da ganz andere Probleme. Während die einen sich darüber beklagen, dass ihre Archive mit einer Speicherkapazität von 50 GB viel zu klein sind für die Flut von E-Mails, die sie in den letzten Jahren angesammelt haben, beschweren sich die anderen darüber, dass ihr Posteingang viel zu voll ist und sie Tools und Methoden brauchen, um diesen zu organisieren.

Aber muss das so sein? Ich würde gerne im Folgenden einmal mit Ihnen zusammen all ihre E-Mails in Ihrem Posteingang in verschiedene Kategorien einteilen und zeigen, was je für Alternativen zu E-Mails gibt. Sie werden erstaunt sein, wie wenige E-Mails danach noch in ihrem Posteingang übrigbleiben, wenn sie all diese entfernen.

E-Mails als Aufgabe

In vielen Unternehmen ist das der klassischste Anwendungsfall von E-Mails. Ich möchte jemandem einen Arbeitsauftrag zuweisen ("Bitte erledige für mich dieses und jenes") und möchte über den Fortschritt der Aufgaben informiert werden ("Wie ist denn der Stand bezüglich XYZ?", "Wann wird XYZ in etwa fertig") Das per Mail zu tun ist nahezu verführerisch einfach. Ich muss einfach eben mal kurz eine E-Mail schreiben und dann ist das für mich erledigt. Das produziert aber erheblichen, aber im ersten Moment noch verdeckten Aufwand. Ich muss mir selbst in einer Art Aufgabeliste merken, welche Aufgaben ich weggeschickt habe und mein Gegenüber muss dies auch tun. Damit wir sichergehen können, dass wir beide denselben Abarbeitungsstand haben müssen wir uns regelmäßig darüber abstimmen, wie dieser Stand nach unseren beiden Meinungen ist (Die typischen "Wie ist denn der aktuelle Stand von XYZ"-E-Mails) Dazu kommt dann noch, dass ich nicht erkennen kann, ob mein Gegenüber komplett überlastet oder sogar gar nicht im Hause ist und selbst dann noch die Aufgabe aktiv weiterdelegieren muss. Wenn ich E-Mails so benutze, benutze ich meinen Posteingang als eine Aufgabenliste, die jemand anderes als ich pflegt und ich reagiere nur auf Ereignisse und sich permanent ändernden Prioritäten darin. Dadurch werde ich sehr stark durch von meinem Posteingang getrieben.

Viel einfacher wäre es, wenn ich mir mit meinem Gegenüber eine Aufgabeliste teilen würde, in der alle unsere Aufgaben vorhanden sind und jeweils einer Person mit der Bitte zugewiesen werden, diese Aufgabe zu erledigen, zu kommentieren und den Status entsprechend zu ändern. Damit hat dann später jeder die Übersicht über den Stand aller Aufgaben. Im Idealfall könnte sogar noch jemand alle Aufgaben priorisieren und alle Kollegen die Aufgabeliste einfach von oben nach unten abarbeiten.

Das kann man zum Beispiel im einfachsten Fall einfach Outlook Aufgaben sein, bessere Auswertungsmöglichkeiten und gar komplette Workflows haben dann aber zum Beispiel Tools wie Atlassians "Jira". Oder Sie wählen dafür das gute, alte und analoge Kanban Board an der Wand.

E-Mailpostfach als Archiv oder Nachschlagewerk

Eine Sache, die sich schnell bei manchen Mitarbeitern - jenen vom Typus "Jäger und Sammler" - einbürgert, ist eine Sammelwut in Bezug auf E-Mails. Beschreibungen und Anleitungen von Prozessen, wichtige Informationen und auch Passwörter werden in mehr oder minder gut geordneten Ordnerstrukturen in den Postfächern gehortet. Die Kollegen sind auch häufig der Meinung, dass Sie sich hier gut zurechtfinden und können tatsächlich nach Aufforderung schnell die richtige E-Mail zu dem Thema aus ihrem "System" hervorzaubern. ("Das hat mit XYZ 2015 mal geschrieben… warte mal… Habe ich dir weitergeleitet"). Dieses Stück Information kann nun das Gegenüber natürlich in der eigenen E-Mail-Ablage-Struktur ablegen und hat sie dann auf Dauer verfügbar. Wenn dann aber genau der Kollege nicht im Hause ist, dann weiß niemand, wie an diese Information zu gelangen ist. Oder noch viel schlimmer - niemand weiß, dass die Information überhaupt irgendwo vorhanden ist.

Hier würde eher eine gemeinsame, strukturierte Ablage von Informationen Sinn machen. Sobald ich eine Information erhalten habe und sie aufbewahren möchte, dann trage ich sie in der Ablage ein und jeder meiner Kollegen kann sie sich dort ansehen. Das hilft dann auch gegen ein weiteres Problem: Was passiert denn, wenn sich einzelne Informationen in der abgelegten E-Mail nicht mehr aktuell sind? Dann gibt es höchstwahrscheinlich eine zweite E-Mail, in der die neuen Informationen beschrieben sind. Wer die nicht hat, handelt nach veralteten Informationen. Das kann mit einer zentralen Informationsablage, an der immer die aktuelle Information beschrieben ist, nicht passieren.

Häufig werden für solche Informationssysteme in der Praxis Wikis verwendet. Bei manchen Systemen, wie z.B. Atlassians "Confluence" kann man sogar noch einzelne Informationsartikel "abonnieren" um über spätere Aktualisierungen des Inhalts informiert zu werden.

E-Mails als Absicherung

Es gibt noch einen weiteren Grund, aus dem sich manche Leute recht anschauliche Mailarchive aufbauen: "Absicherungen". Das sind E-Mails, die ich mir weglege, weil ich später einmal sagen will: "Das habe ich dir doch schon an Datum ABC gesagt". Typischerweise sind das dann auch E-Mails, bei denen bestimmte Leute im CC mit "ankopiert" werden - aber eigentlich nicht, damit diese Personen etwas tun, sondern nur damit sie jene diese E-Mails auch in ihrem Posteingang haben und am besten auch gleich in ihr persönliches E-Mailarchiv verschieben…. Nur für den Fall. Dahinter steckt die Angst, dass sich das Gegenüber später an einmal getroffene Aussagen nicht mehr erinnern mag und man das dann doch lieber "schriftlich" hätte. Das ist eine verständliche Angst, aber auch eine die eigentlich in einem modernen, agilen Unternehmen eigentlich entkräftet werden müsste.

Hier könnten Sie versuchen, wichtige Entscheidungen und Absprachen immer auf einer Wiki-Seite oder innerhalb eines Dokumentes zusammenzufassen, dieses immer allen Teilnehmern zur Verfügung zu stellen und sich bei allen Entscheidungen nur auf diese, für alle sichtbaren Informationen zu berufen.

Das Vorgehen werden Sie vielleicht kennen: Das ist im Endeffekt einfach sowas wie ein klassisches Protokoll einer Sitzung oder eines Termines

E-Mails als Dokumentenaustausch

Weiter kommt es in Unternehmen natürlich häufig vor, dass Dokumente von mehreren Personen erstellt werden müssen. Diese werden dann auch häufig der Einfachheit halber direkt per Mail hin- und hergeschickt. Das führt aber nun auch wieder zu Problemen und zu einem erhöhten Aufwand. Wenn ich nun an der – in meinen Augen aktuellen - Datei in meinem Posteingang arbeite weiß ich nicht, ob das wirklich die aktuelle Version der Datei ist oder ob jemand anderes schon an der Datei in seinem Posteingang gearbeitet hat und mir das aktuelle Ergebnis nur noch nicht weitergeleitet hat. Im Schlimmsten Fall habe ich dann mehrere Versionen einer Datei, die ich dann aufwändig wieder zusammenführen muss. Einfacher wäre es, wenn ich gar keine Dateien mehr per E-Mail verschicken würde, sondern eine zentrale Ablagen Bereich hätte, in dem ich mit allen meinen Kollegen gemeinsam an dem Dokument arbeiten könnte. Dann bräuchte ich ihnen nur noch eine Mail mit dem Link zu dem Dokument schicken mit der Aufgabe, dieses zu bearbeiten.... Moment mal, wie wir im Abschnitt "E-Mails als Aufgabe" schon erläutert haben, sollte ich selbst dieses nicht tun, sondern meinen Kollegen in unserem Aufgabenverwaltungssystem den Auftrag zur Bearbeitung dieser Datei zuweisen.

Beispiele für zentrale Dateiablagen sind klassische Netzwerklaufwerke aber auch erweiterte Dokumentenplattformen wie etwa "SharePoint" und "Teams" von Microsoft oder "Google Docs". Die erweiterten Plattformen unterstützen dann auch noch gleichzeitige Arbeit an demselben Dokument (ohne die Meldung "Die Datei ist zur Bearbeitung durch den Benutzer XYZ gesperrt") sowie Kommentare und Kommunikationen in Bezug auf das Dokument, die mit außerhalb des Dokumentes Informationen zur Erstellungsverlauf des Werkes geben.

E-Mails als Umfragen

Recht häufig gibt es dann auch noch E-Mails mit einem Umfragen-Charakter. Generell ist das immer so, wenn ich eine größere Gruppe von Kollegen eine Frage stellen möchte und die Ergebnisse schlussendlich in einer Liste zusammenführen möchte. Das könnten zum einen die einfache Erstellung einer Teilnehmerliste für ein Event sein, also etwa "Wer teilnehmen möchte, der kann sich ja kurz per E-Mail bei mir melden". Zum anderen verbergen sich dahinter auch aber auch komplexere Anforderungen etwa der Art: "Schickt mir bitte zum Monatsende alle eure Aufwände für das Projekt zu, damit ich für den Kunden eine Aufstellung erzeugen kann" oder "Hier ist eine neue Handlungsanweisung, bestätige mir bitte, dass du sie zur Kenntnis genommen hast". Das geht natürlich per Mail, sie ist dafür hier aber aus zwei Gründen das falsche Mittel. Zum einen erzeugt so eine Umfrage per E-Mail gleich mehrfach Aufwand, nämlich den nicht vermeidbaren bei dem der die Umfrage beantwortet und gleichzeitig den vermeidbaren bei dem, der die Umfrage auswerten muss. Letzterer muss ja alle E-Mail-Antworten aufnehmen, korrekt interpretieren und in eine zentrale Liste einpflegen. Je nach Anzahl der Antworten kann das eine massiven Aufwand bedeuten. Zum anderen ist die Auswertung der E-Mails fehleranfällig. Es kann leicht passieren, dass eine einzelne E-Mail übersehen wird oder dass eine "Korrektur"-E-Mail eines Umfrageteilnehmers nicht korrekt eingetragen wird. Eine einfache Lösung für das Problem sind formulargestützte Umfragen. Als Ersteller der Umfrage bereite ich ein Formular vor, welches dann alle Teilnehmer ausfüllen können. Die Ergebnisse landen automatisch in einer zentralen Liste Beispiele für solche Umfragetools gibt es äußerste viele, die sich zumeist im Bedienungskomfort und in diversen Nebenanforderungen (etwa Zielgruppe Kollegen/Kunden/Internet oder Anonymisierung und Datenschutz) unterscheiden. Hier würde ich im generellen Business-Umfeld persönlich auf zwei Lösungen verweisen: Microsofts "Forms" und "Google Forms". Ansonsten gibt es auch Umfragen, die speziellere Szenarien zugeschnitten sind, wie etwa "Doodle" zur Koordination von Terminen.

E-Mails als Neuigkeiten oder Newsletter

Schließlich werden auch häufig generelle Neuigkeiten über E-Mails verbreitet. Das könnte dann zum Beispiel der generelle Newsletter des Unternehmens sein oder etwa Neuigkeiten im Produktkatalog eines Zulieferers. Hierzu zählen dann aber auch Statusberichte von Projekten oder die Information über eine neue Handlungsanweisung. Generell ist es hier immer so, dass eine Einzelperson oder kleinere Gruppe Informationen hat, die sie einer größeren Gruppe von Empfängern bereitstellen will. Der "Sender" der Informationen ist hier aber nicht primär an einer Antwort von allen Empfängern auf die Mail interessiert (Obwohl qualifiziertes "Feedback" häufig gewünscht ist).

Nun, aus Sicht des Senders ist es hier nicht falsch, mit E-Mails zu arbeiten, da es ein sicherer und einfacher Weg ist, die Information an die gewünschten Adressaten zu verbreiten. Leider ist dies aber auch das digitale Äquivalent einer Postwurfsendung. Als Empfänger kriege ich die Mail, egal ob ich will oder nicht.

Häufig werden die Informationen aus diesen "Newslettern" dann aber auch nirgendwo anders (etwa dem Intranet) abgelegt. Sie sollten sich dann hier die Frage stellen, ob das nicht einfach reicht. Falls Sie Ihre Mitarbeiter nochmal extra auf den "neuen" Newsletter hinweisen wollen, dann können Sie sie natürlich noch einmal kurz per E-Mail darauf hinweisen. Diese E-Mail können die Empfänger nach Kenntnisnahme aber auch sofort löschen, ohne dass ein Informationsverlust auftritt.

E-Mails als Berichte

In regelmäßigen Abständen bekomme ich einen Bericht, der mir die aktuellen Informationen etwa zu einem Projekt zusammenfasst. Ist das wirklich von der Idee so anders als der oben diskutierte Newsletter? Informationen werden von jemand anderem aggregiert und ggf. kuratiert und mir dann in einer aufgearbeiteten Form zugeschickt. Aber vielleicht bekomme ich denselben Bericht zweimal, weil im ersten ein Fehler war. Und dann habe ich den ersten schon weitergeleitet und habe nun Kommunikationsaufwände, um das wieder gerade zu ziehen.

Den jeweils aktuellen Bericht könnte man besser als ein zentral abgelegtes Dokument oder eine Wiki Seite erstellen. Damit würden wir auch direkt ein - falls gewollt - für andere einsehbares Archiv aufbauen, in dem alle Berichte abgelegt werden. Aktualisierungen eines Berichtes sind dann auch sehr einfach.

Gegen eine kurze E-Mail, die mitteilt, dass es an dem definierten Ort einen neuen Bericht gibt, ist hier nichts einzuwenden. Wir beim Newsletter kann diese Benachrichtigung aber auch sofort nach Erhalt wieder gelöscht werden, da die eigentlich wichtige Information im abgelegten Bericht vorgehalten wird.

Die ganzen restlichen E-Mails

Falls Sie alle oberen Vorschläge berücksichtigt haben, dann sollte sich ihr Postfach schon massiv verkleinert haben. Sicher, da bleiben noch viele E-Mails über, über die man sich analog zu den Beispielen Gedanken machen muss, aber im Prinzip können wir für jede Intention hinter einer E-Mail einen anderen Kanal finden. Und im Regelfall bieten diese Kanäle sogar Vorteile im Gegensatz zur E-Mail.

Ich hoffe, dass Sie de folgende Aussage aus diesem Artikel mitgenommen haben

Eine E-Mail scheint häufig das einfache Mittel zu sein, um eine Aufgabe zu erledigen, sie ist aber selten das Effizienteste.

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